[ TEXTE ZUR KUNST ] |
Dr.
Alexander Berens: Wolfgang Ruske - mediTERRAneo |
Dr.
Alexander Berens©: Wolfgang Ruske - mediTERRAneo Beethoven schrieb einmal in
einem Brief: „Die Kunst! Wer versteht die? – Mit wem kann man sich
bereden über diese große Göttin?“ |
Wolfgang Ruske©: Alles Theater? KULT-UR ist alles was ist! Was Kultur sei? „Wenn auf¹m Klo feuchtes Toilettenpapier is!", antwortete eine 14-jährige Hauptschülerin auf diese Frage. Auch wenn die Antwort erst einmal schockieren mag, so ganz unrecht hat das Mädel nicht. Denn auf der Weltkonferenz zur Kulturpolitik 1982 in Mexiko wurde die „Kultur" amtlich neu definiert. Seitdem ist sie nicht mehr nur der Oberbegriff für die vielfältigen Kunstrichtungen (Musik, Schauspiel, Architektur, Literatur, Bildende Kunst, Fotografie, neue Medien etc.), sondern bezieht die Lebensweisen der Menschen mit ein. Der erweiterte Kulturbegriff entspricht nicht nur der Vielfalt der Ethnien (die sich überall mischen), sondern auch der Ursprungsbedeutung des Wortes, das im Lateinischen mit „Land- und Gartenbau, Körper- und Geistespflege, künstlerische und geistige Lebensäußerungen" all das umfasst, was das Leben ausmacht, einschließlich der religiösen Kulte. Gehen wir in der Menschheitsentwicklung noch weiter zurück, so sind magisch-symbolische Formen der Aneignung von Natur und Kosmos und mythische Übertragungen archetypischer Bilder Ausdruck von „Kult-Ur". Joseph Beuys hat mit seinem (umstrittenen und missverstandenen) Ausspruch, jeder Mensch sei ein Künstler, genau dies gemeint. Beuys wollte - und das hat er bei denen erreicht, die mit ihm sprachen - den Menschen Mut machen, ihre Persönlichkeit zu entwickeln, ihre Fähigkeiten zu erproben: „Ich will nur den Menschen anregen, nicht zu warten auf einen idealen Bewusstseinszustand. Sie müssen mit den jetzigen Mitteln beginnen - mit ihren Fehlern beginnen." Wer sich kreativ äußert, ist auf dem Weg, sich selbst zu entdecken. Welch Frust, welch Freude! Aber immer in (geistiger und körperlicher) Bewegung, und das ist „Not-wendig"! All das, was nun unter dem erweiterten Kulturbegriff zu verstehen ist, finden wir konzentriert in den heutigen Kunstdisziplinen, ob in der Literatur, im Theater oder in der Bildenden Kunst. Die Abkehr von Inhalten, Idealen und Werten, die Abkehr von Harmonie und Schönheit folgt dem Bild einer realen (beziehungsweise medial-virtuellen) Welt. Der Tabu-Bruch in zwischenmenschlichen Beziehungen findet seinen Niederschlag im Werk. „So manche zeitnahe Kunst ist ohne ironische Brechungen gar nicht konsumierbar", sagt der Künstler Heinz Mack. Künstlerisch zu arbeiten bedeutet zweifelsohne Aneignung von Welt. In der magischen und mystischen Prähistorie dienten die menschlichen Ausdrucksformen dazu, die Erscheinungen der Mitwelt und der kosmischen Überwelt fassbar zu machen. Die Darstellung von symbolhaften Abbildern zeigte den Versuch, die sichtbaren und unsichtbaren Kräfte des Daseins zu erkennen, zu ordnen und zu beherrschen. Eine Kunst der Magie sozusagen. Der kreative Akt wird zu einem spielerischen, wenn die so genannte Realität durch Symbole dargestellt wird. Durch das Fokussieren, durch den Ausschnitt aus der „Wirklichkeit" wird die tatsächliche Realität unwirklich; es entsteht eine Fälschung der Welt, ein subjektives Bild. Diese Fiktion von Welt konfrontiert mit Neuem. „Wie kommt das Neue in die Welt?" haben Heinrich von Pierer und Bolko von Oetinger gefragt (München 1997). Und man könnte analog antworten: „Durch Kunst natürlich!" So gesehen, muss die Kunst Stein des Anstoßes sein, ist die Provokation in der Kunst notwendig. Sie ist für den Betrachter notwendig, sie ist notwendig, um kreative Gedankenprozesse im Rezipienten auszulösen. Kunst ermöglicht die spielerische Annäherung an das Unmögliche, an das Unsagbare, eine Annäherung ohne die Bedrohung der Realität. Welchen Sinn hat die Schaffung von Kunstwerken darüber hinaus? Diese Frage wird jeder Künstler, Kunstkritiker, Ästhetiker und Kunstkonsument anders, auf seine Weise und aus seiner Sicht beantworten. Hans und Sulamith Kreitler (Psychologie der Kunst, Stuttgart 1980) nennen als Motivation für Kunstschaffende „die Offenbarung der immanenten Wahrheit, die Konkretisierung des metaphysischen Jenseits, die Darstellung der nackten Wirklichkeit, die Schöpfung einer glücklichen Fantasiewelt, die Konfrontation mit den klaffenden Abgründen innerhalb des Individuums, das Wiederbeleben verlorener Zeiten und verdrängter Kindheit, die Förderung von Selbsterkenntnis." Der Philosoph Jean Gebser hat 1958 formuliert: „Kunst ist: das Unsichtbare sichtbar, das Unhörbare hörbar, das Unsagbare sagbar machen." Im echten künstlerischen Schaffen, im Kunstwerk wird also das zum Ausdruck kommen, was über der sogenannten Realität steht, der Mehrwert, der über sie hinausweist in die Gegenwelt der Transzendenz. Der Künstler erfasst mit seiner individuellen Begabung das Motiv, das im Ich subjektiv erlebt und verarbeitet wird „durch eine Krise, eine Läuterung, eine Wiederherstellung", wie der Dichter und Maler Albert Steffen gesagt hat. „Wer den Weg der Geist-Erkenntnis geht, welcher ein allgemeiner und jedem Menschen zugänglicher ist, hat eine Fülle bisher unbekannter Erlebnisse, die sogleich nach dem originellen Künstler rufen." Dies ist Meditation, Meditation, verbunden mit dem Erlebnis der Erkenntnis. Meditieren bedeutet in Freiheit und ohne Verhaftetsein an Vorgaben einen Gedanken, ein Bild in den Mittelpunkt des Bewusstseins zu stellen, gleichsam aus dem Nichts neu zu erschaffen. Das führt zu neuen Sichtweisen, so, wie ein aus einem Nahtoderlebnis „Wiederbelebter" die Welt neu sieht, das Leben anders gestaltet und gestalten muss. Der Künstler, hat Romano Guardini 1947 in einem Vortrag an der Stuttgarter Akademie der Künste gesagt, habe schauend und gestaltend das Wesen des Gegenstandes zu reinerer Erscheinung zu bringen. „In der gleichen Erscheinung macht er auch das eigene Wesen und damit das Menschenwesen überhaupt offenbar. Und beides so, dass es nicht nur gleichzeitig, sondern eins im andern geschieht: im Blicken, Werten und Fühlen des erlebenden Menschen das Ding eine neue Sinnfülle gewinnt; am Ding hinwiederum der Mensch zum Bewusstsein und zur Entfaltung seiner selbst gelangt. Indem das aber geschieht, klingt am Werk das Ganze des Daseins an, und das zufällige Teilgebilde wird zum Symbol des Alls." In diesem Kontext führt Kunst beim Künstler zur Selbsterkenntnis, kann zur Eigentherapie führen, ja „als Weg zur Einweihung" (Albert Steffen) aufgefasst werden. Einweihung nicht als mystifizierender Akt verstanden, sondern als ständige Schulung und Entwicklung schöpferischer Fähigkeiten, als immerwährendes künstlerisches Durchdringen des Lebens mit seelischen und geistigen Kräften. Bewusstwerdung durch Kunst. In diesem Sinne ist die Formulierung des Malerfürsten Markus Lüpertz: „Alles was wir über Gott wissen, wissen wir durch die Kunst" (2001) zu verstehen, nach einer Formel: Selbsterkenntnis gleich Welterkenntnis gleich Gotterkenntnis. |
Wolfgang Ruske©: Über das Gesicht
Das Gesicht und damit
auch Bilder vom Gesicht üben eine unwiderstehliche Faszination aus. Das
Gesicht gibt Kunde und fordert zum Erkunden heraus. Eine Annäherung kann
physiologisch, psychologisch, anthropologisch, medizinisch, philosophisch,
aber auch künstlerisch erfolgen. So wie wir wissen, dass kein Gesicht mit
einem zweiten identisch ist, wissen wir auch, dass wir ein Gesicht mit
einem Menschen identifizieren können. Aber: Auch das Wissen um die
geistige Verbundenheit aller Menschen ist vorhanden. „Wir sind die
anderen, die anderen das sind wir“, singt Inga Humpe von der Band
„2raumwohnung“. |
Wolfgang Ruske©: Die Farbe Blau Als Blau bezeichnet man
die wahrgenommene Farbe von Licht, das eine Wellenlänge zwischen 450 und
500 Nanometer hat. Das Blau, das man sieht, existiert nicht in der Außenwelt,
sondern im Bewusstsein des Betrachters. Der Farbeindruck Blau kann aber
auch durch Farbmischung entstehen. Das Wort Blau stammt vom
althochdeutschen blao für schimmernd, glänzend. |
Wolfgang
Ruske©: Grün - Psychologie, Mythologie und Symbolik
Und was verbinden die
Deutschen mit dieser Farbe? Auch das hat Heller ermittelt. In erster Linie
– natürlich! – die Natur und Natürliches. 47 Prozent aller Befragten
sagen das. Das verwundert nicht; grün ist nun mal fast alles, was wächst.
Der Farbstoff Chlorophyll ist Grundlage der Photosynthese und damit
Grundlage vegetativer Lebensfunktionen. Aber Chlorophyll ist nicht beständig,
und so konnte es vor dem Zeitalter der Chemie nicht als Farbstoff
verwendet werden. Dafür kamen nur seltene und teure Mineralien wie Apatit,
Amazonit, Malachit und Jadeit infrage. Die Bezeichnung „grün“ für
die vielen Begriffe, die sich mit der Natur verbinden lassen (z.B. „ins
Grüne fahren“) wird noch übertrumpft durch die „grüne“ Denkweise
und Lebenshaltung, die Farbe der Umweltschützer, der Partei und der von
ihr geforderten Politik. Natur
pur Die Farbe der Natur ist
eng verknüpft mit der Farbe des Lebens und der Gesundheit. Rund 40
Prozent der Menschen verbinden Grün mit diesen Begriffen. Keimen und
Wachsen - das Leben der Pflanzen, das Leben schlechthin wird mit dieser
Farbe assoziiert. Überall: der Brite, der sich gut fühlt, ist „in the
green“. Und Grün ist selbstverständlich auch die Farbe des Frühlings
und der Fruchtbarkeit (62 Prozent der Aussagen) sowie der Frische (27
Prozent verbinden Grün mit ihr). Das passt alles zusammen. Grünzeug ist
einfach gesund. Die Wurzel des Wortes „grün"
liegt in dem germanischen Wortstamm „ghro", was soviel wie „grünen“
„wachsen" und „gedeihen" bedeutet. Die Verwandtschaft des
englischen Wortes „grow" mit „green" ist deutlich. Es
existieren keine vorgeschichtlichen Höhlenmalereien
mit Darstellungen von Pflanzen, obwohl grüne Erden
zur Verfügung standen. Die Bedeutung von Grün als Symbol für Fruchtbarkeit hänge direkt mit
der Entwicklung des Ackerbaus zusammen, behaupten israelische
Wissenschaftler. Bereits in der Mittleren Steinzeit wurden Perlen aus
verschiedenen Materialien als Schmuck verwendet, aber erst später wurden
auch grüne Perlen angefertigt, argumentieren die Forscher von der
Universität Haifa. Damit liege der Schluss nahe, dass die symbolische
Bedeutung der Farbe Grün für Fruchtbarkeit erst entstand, als in
der Jungsteinzeit die Jäger und Sammler sesshafte Ackerbauern wurden. Als sich der
Ackerbau in der Jungsteinzeit im Nahen Osten ausbreitete, hatte dies
Konsequenzen für alle Lebensbereiche des Menschen. Er war gezwungen, sich
für die Jahreszeiten und zeitlich bedingten Wetterlagen zu interessieren,
Naturkreisläufe zu studieren, die Gestirne zu beobachten und
Kalenderbauten zu entwickeln, um Wachstumsfolgen und Fruchtbarkeitszyklen
von Pflanzen und Tieren zu ermitteln. Aufgrund dieser neuen
Herausforderungen begannen die Steinzeitmenschen, grüne Steinperlen für
Amulette und Glücksbringer zu verwenden, sagen die Forscher. Dabei
versinnbildlicht die Farbe Grün das Ergrünen junger Blätter und
symbolisiert den Wunsch nach einer erfolgreichen Ernte. Perlenketten und
Amulette haben eine Vielzahl an Bedeutungen. Sie sollen Unglück und
Gefahr abwenden, vor bösen Geistern schützen oder einfach Glück und Stärke
bringen. Durch die Belegung der Farbe Grün als Symbol des Lebens entstand
vermutlich auch die bis heute verbreitete Verwendung von grünen
Talismanen als Schutz vor dem Bösen Blick. Eine
christliche Farbe Im kulinarischen Bereich
erfreut sich die „Grüne Soße“ großer Beliebtheit, vor allem in
Hessischen Landen. Die Frankfurter Grüne Soße beispielsweise hat ihren
eigenen „Verein zum Schutz der Frankfurter Grünen Soße", der bei
der Europäischen Union sogar einen Schutzanspruch der
Ursprungsbezeichnung angemeldet hat. Die kalte Soße muss mindestens
sieben Kräuter enthalten und passt gut zu gekochtem Fisch und Fleisch,
kaltem Braten und Pell- oder Salzkartoffeln. Sie war ein Leibgericht
Goethes. Grüne Soße mit Pellkartoffeln ist ein traditionelles Gründonnerstagsgericht. Die Farbe Grün steht im christlich-religiösen Sinn für Erneuerung und die Befreiung von Sünden. Am Gründonnerstag, dem ursprünglich letzten Tag der Buß- und Fastenzeit, ist der Gläubige wieder grün geworden – er hat gebüßt und ist nun von seinen Sünden befreit. Die Bedeutung der Farbe als Hoffnungsträger und als Symbol der Erneuerung ist bis heute im Christentum erhalten geblieben. Die Fastenzeit endet mit dem Gründonnerstag, die Karwoche beginnt mit dem Grünen Sonntag (dem Palmsonntag). Grün ist auch die Farbe der gewöhnlichen Sonntage. Die Altäre der katholischen Kirchen sind an diesen Tagen mit einer grünen Decke geschmückt. In der christlichen Religion ist Grün die Farbe des Heiligen Geistes und der Apostel, denen er erschienen war. Auf mittelalterlichen Gemälden wurde der Heilige Geist oft als weiße Taube vor einem grünen Hintergrund dargestellt. Manche Künstler des Mittelalters malten das Kreuz Christi grün, Heilige in grünen Gewändern, grüne Heiligenscheine. Grün – das zeigt die christliche Ikonografie – wird transzendiert zur Wandlungskraft des Heiligen Geistes, zur Unsterblichkeit des Menschen. Das Grün der Unsterblichkeit war auch bei den Azteken bekannt; sie legten ihren Toten einen grünen Stein in den Mund, der die Erneuerungskraft des Lebens symbolisierte. In Ägypten wie im alten China war Grün die Farbe der Wiedererweckung. Die
Psychoanalytikerinnen Aniela Jaffé und Marie-Luise von Franz berichten
von einer Vision Carl Gustav Jungs, in der er am Fußende seines Betts
einen grünen Christus sieht: „Eines Nachts erwachte ich und sah in
helles Licht getaucht den Kruzifixus am Fußende des Bettes. Er erschien
nicht ganz in Lebensgröße, war aber sehr deutlich, und ich sah, dass
sein Leib aus grünlichem Golde bestand. Es war ein herrlicher Anblick,
doch ich erschrak über das Geschaute.“ Jung stößt auf eine Parallele
in der Alchemie – das „Grüne Gold“, den edelsten Stein des
Mercurius, und er begreift intuitiv, dass sich sein Christus-Bild mit dem
des römischen Merkur, das ist der griechische „dreimalgrößte“ Gott
Hermes Trismegistos, das ist der ägyptische Gott Thot, der Götterbote,
der Überbringer der Weisheiten und des Naturverständnisses, versöhnen
will – Logos-Sophia als androgynes Gottbild. In der Alchemie wurden
symbolische Lösungsmittel, die Gold auflösen sollten, als „Grüner Löwe"
oder „Grüner Drache" bezeichnet. Derartige imaginäre Flüssigkeiten
standen am Anfang des „opus magnum“, des großen Werkes zur
Herstellung des „Steins der Weisen". Im alchemistischen Prozess
galt als erstes Lebenszeichen der Materie die „benedicta viriditas“,
die gesegnete Grünheit. Unter dem Bild eines durchscheinenden, grünen
Kristalls sahen die Alchemisten auch ein „geheimes Feuer", welches
die Lebendigkeit des den Stoffen innewohnenden Geistes verkörperte. Marc
Chagall wird Jungs Traum vermutlich nicht gekannt haben, aber er schuf im
Jahr 1970 für die Fraumünster-Kirche in Zürich eine Komposition von fünf
Fenstern, in deren Mitte er einen grün-goldenen Christus stellte. Auf die
Mitte-Position des Grün im Rahmen anderer Farben komme ich noch zurück. Eine
muslimische Farbe Im
Islam ist Grün die Farbe des Propheten Mohammed. Es war seine
Lieblingsfarbe und so trug er einen grünen Kaftan und einen grünen
Turban. Bis heute ist es nur seinen Nachfolgern, den Kalifen gestattet,
einen grünen Turban zu tragen. Das heilige Banner - die kostbarste
Reliquie des Islams - ist ein grünes, mit Gold besticktes Tuch. Mohammed
soll mit dieser Fahne in den Krieg gezogen sein und mit ihr Mekka erobert
haben. In der Vorstellung der Muslime überwiegt im Paradies die Farbe Grün
als Sinnbild für blühende Landschaften und ewige Oasen. Heute noch ist
Grün die Farbe der arabischen Liga, viele islamische Staaten haben die
Farbe in ihrer Flagge. Sie symbolisiert die Einheit im Glauben und den
Zusammenhalt der arabischen Völker. Grün ist die lebensspendende Farbe
aller Wüstenvölker. Das
Symbol der Farbe Grün in der arabischen Welt ist jedoch noch älter als
Mohammed. Der islamische Heilige „al-Chadir", der „grüne
Mann", ist eine Mythengestalt, die die Nomaden in der Wüste zum
Wasser führt und die Wanderer auf ihrem Weg begleitet. Wesenszüge des
Mercurius-Hermes finden wir im Geist al-Chadirs. Nach der Sage soll
al-Chadir durch das Reich der Finsternis gewandert sein, bis er zu einem
hellen, weißen Felsen kam. Jeder andere Wanderer wurde von diesem Berg
hinabgeschleudert, nur al-Chadir konnte hinaufsteigen und erreichte die
„Quelle des Lebens“. Nachdem er das kostbare Wasser getrunken hatte,
wurde sein Gewand grün, und er erlangte Unsterblichkeit. Al-Chadir, in
anderer Schreibweise auch Chidher (arabisch: „der Grüne",
gemeint ist: der Sucher, der den Lebensquell gefunden hat, so dass ihm bis
zum jüngsten Tage das Leben immer neu „ausgrünt") mögen manche
aus dem ersten Gedicht des „West-östlichen Divan“ Goethes kennen, wo
sein Name gleich in der ersten Strophe auftaucht: „Soll dich Chisers
Quell verjüngen“. Von Rückert stammt ein balladenhaftes Fünfstrophen-Lied
über den „Ewigjungen“, der alle Welt in selbstvergessenen Wandlungen
kreisen sieht; und alle, denen er begegnet, halten sich für anfangslos
existierend und endlos bleibend; er selbst aber, der wahrhaft ewig
Lebende, sieht sie alle „vergessend vergehn, verwesend verwehn“. Al-Chadir
oder Chidher kommt in zahlreichen Versionen orientalischer Kulturen
und Sprachen vor; so ist die Chidher-Legende dann auch in den Koran, Sure
18, hineingewandert, wo er als „Diener Gottes“ erscheint, der dem
Paradiessucher Mose einige Prüfungsaufgaben stellt, die dieser nicht lösen
kann. Und auch zur Geburt Jesu sollen die drei Weisen-Priester-Könige aus
dem Morgenland aufgebrochen sein, mit Chidher als Sternträger voran. Mich
hat diese Mythengestalt zu den Aquarellen inspiriert, die dort auf der
Staffelei stehen. Liebeszauber
und Gifttrank Im
Mittelalter und vor allem in der Zeit der Minnesänger war Grün die Farbe
der Liebe. Der Held Céladon besingt im Schäferroman „Astrée“ von
Honoré d'Urfé auf etwa 5500 Seiten seine Geliebte und trägt dabei ein
maigrünes Gewand. In einem Minnelied heißt es: „Grün ist allem
meinen Sinn / Ist der
lieb ein anfing. / Grün
soltn allezeit haben wert, / ob
dein Herz dir lieb begehrt.“ Der
Mythos des „stirb und werde“, des ewigen Lebens, findet im Mittelalter
in den Legendenkreisen um Merlin, die Ritter der Tafelrunde, Parzival und
um den Heiligen Gral ihre Ausformung. Auch in diesen Mythen, die in der
zeitgenössischen Literatur eines Wolfram von Eschenbach oder Chrestien de
Troyes niedergeschrieben wurden (und bis in die heutige Zeit wirken),
spielt die Symbolfarbe Grün eine entscheidende Rolle. Der Gral wird als
Schale aus Smaragd oder grünem Kristall beschrieben, in der Joseph von
Arimathia das Blut Christi aufgefangen haben soll. Die
Liebe-Opfer-Auferstehungssymbolik wird hier in der grünen Farbe des
Kelchs deutlich. Gawan begegnet dem „grünen Ritter“, einer mit der
Macht des Todes behafteten Gestalt. Ein grüner Frauenschal verleiht
Unsterblichkeit, der Mantel des Gralskönigs ist grün und grün glänzt
auch sein Schwert. Die Suche nach dem Gral, die „Quest“, ist eine
Herausforderung auf Leben und Tod oder besser: auf Tod und Leben (Goethes
„stirb und werde“), denn die Abenteuer sind Initiationen auf einem Weg
der Läuterung, der Transformation zum eigenen Selbst. Grün
war im Mittelalter nicht nur die Farbe der Liebe, sondern auch die Farbe
der Schlangen und Dämonen. Im alten China besaß der Drache noch eine
sehr positive Bedeutung. Er symbolisierte die göttliche Macht, Weisheit
und Stärke, Transformation und Transzendenz. Hier steht der Drache mit
der Farbe Grün in Verbindung. Das Christentum, das einerseits die Farbe
Grün mit Hoffnung und Unsterblichkeit belegt hatte, schuf auch die
Polarität: Das positive Symbol des Drachens wurde in ein Ungeheuer
verwandelt, das alle bösen und destruktiven Eigenschaften in sich
vereinte. Christliche Dämonen waren drachenähnlich und besaßen grüne
Hautfarbe und grüne Augen, sie spieen tödliches Gift aus ihren Nüstern
und stanken wie die Hölle. Der Heilige Georg (der im 3.-4. Jahrhundert
lebte) musste den Drachen besiegen, aber die Drachentöter-Legende kam
erst zur Zeit der Kreuzzüge auf. Die Farbe Grün als Symbol für
Fruchtbarkeit wurde den christlichen Sittenhütern unangenehm, da sie die
Sexualität ohnehin verteufelten. Der Teufel aber trat sozusagen als
Seelenfänger in einem grünen Jägerrock über seiner grünen Haut in
Erscheinung. Als
das „Schweinfurter Grün" im Jahre 1800 erfunden wurde, bekam die
Farbe Grün zusätzlich einen giftigen Beigeschmack. Diese „giftgrüne“
Malfarbe wurde aus Grünspan und Kupferarsenit (auch Scheelesches
Grün, Scheeles Grün und Schwedischgrün
genannt) gewonnen und war eines der
giftigsten Pigmente, die jemals verwendet wurden. Nach dem Aufstrich der
Farbe entwickelten sich giftige Arsendämpfe, die auch Napoleon zum Verhängnis
wurden. Denn Grün war des Kaisers Lieblingsfarbe und die Räume seines
Exils auf St. Helena waren mit dieser grünen Farbe gestrichen. Als französische
Chemiker den Leichnam Napoleons analysierten, fanden sie große Mengen
Arsen in seinen Haaren und Fingernägeln. Der französische Eroberer war
jedoch nicht vergiftet worden, wie man ursprünglich angenommen hatte,
sondern starb eines natürlichen Todes an einer schleichenden Vergiftung
durch seine Lieblingsfarbe. Eine
heilende Schwingung Grün
kann durch Mischen aus den Farben Blau und Gelb hergestellt werden.
Insofern vereint sie das Geistige der Farbe Blau
mit der emotionalen Wärme von Gelb.
Beides zusammen schafft Wachstum und Weisheit. Die Farbe Grün ist aber
auch ein Symbol für Unerfahrenheit („grün hinter den Ohren“ oder
„Grünschnabel“). Diese Bedeutung
hat ihren Ursprung in den unreifen Früchten, die in der Regel noch grün
sind. Obwohl wir wissen, dass Grün eine Mischfarbe ist, zählen wir sie
doch zu den Grundfarben. Auch in allen wissenschaftlichen Farbtheorien und
Farblehren wird Grün als Primärfarbe anerkannt. Grün ist eine Farbe der
Mitte, eine Farbe, die beruhigend und entspannend wirkt (deshalb sind die
Operations-Kittel grün). Die Astrologen ordnen Grün den Waage-Geborenen
zu, von denen man sagt, dass sie diplomatisch um Ausgeglichenheit bemüht
sind. Goethe hat in seinem Farbenkreis zur „Symbolisierung des
menschlichen Geistes- und Seelenlebens“ der Farbe Grün die Kategorien
„Nützlichkeit, Sinnlichkeit und Bürgertum“ zugeordnet. Aufgrund
ihrer Naturnähe wirkt die Farbe Grün beruhigend und harmonisierend. Deshalb
war sie früher die beliebteste Farbe für den Salon. Der
expressionistische Maler Wassily Kandinsky (er lebte von 1866-1944) aber
war ein Gegner des bürgerlichen Grüns; die Farbe, meinte er, sei
aufgrund ihrer passiven Wirkung ein beschränkendes Element und daher die
Farbe der Bourgeoisie. Das Grün sei (ich zitiere) „wie eine dicke, sehr
gesunde, unbeweglich liegende Kuh, die nur zum Wiederkäuen fähig mit blöden,
stumpfen Augen die Welt betrachtet“ (schrieb Kandinsky 1952). In
der grün-weiß-roten Flagge Italiens stehen das Weiß und das Rot für
die alten Farben Italiens, während das Grün das Recht des (bürgerlichen)
Menschen auf Freiheit und Gleichheit symbolisiert. Die Flagge wurde während
der Französischen Revolution von den italienischen Republikanern im Jahre
1795 präsentiert. Jede
Farbe besitzt eine eigene Schwingung. Ich kannte eine Geomantin, die mit
der Rute die Schwingungen von Farben ausmuten konnte und mir dies
anschaulich demonstrierte. So genannte Synästhesisten können sinnliche
Wahrnehmungen verknüpfen (zum Beispiel einen bestimmten Ton hören, wenn
sie die Farbe Grün sehen), was mit der Schwingung zusammenhängen könnte.
Die Energie einer Farbe kennt jeder von uns: Wir fühlen uns in einem
farbigen Raum wohl oder weniger wohl; wir bevorzugen heute eine grüne
Kleidung, morgen vielleicht eine andere Farbe. Die positive Heilwirkung
der Farbe Grün für Körper und Seele wurde bereits von Hildegard von
Bingen (sie lebte etwa von 1098-1179), einer Äbtissin und Ärztin des
Mittelalters, erkannt. Sie entwickelte ihre heute wiederentdeckte
Heilkunde aus der „Viriditas“, der „Grünkraft“ göttlicher Schöpfung
und der Erneuerungskraft des Heiligen Geistes, um Heilung zu ermöglichen,
was sie mit Heil gleichsetzte. So empfahl sie zur Stärkung der Sehkraft
die Imagination einer grünen Wiese, sie verschrieb den Kontakt mit Blättern
und Gräsern in der Morgenfrühe, wo die Pflanzen in ihrer „edelsten und
kraftvollsten Grünheit“ stünden: „O Grün des Fingers Gottes, in
welchen Gott seine Pflanzung eingesetzt hat.“ Ich
möchte diesen Essay über die Farbe Grün mit einem Witz aus dem Judentum
beenden: Der
Grün trifft den Blau in Gedanken versunken. „Was überlegst du?“,
fragt der Grün. „Ich denke darüber nach, ob der Mensch lebt von innen
heraus, oder von außen herein“, sagt der Blau. „Wenn du mich so
fragst“, sagt der Grün, „- ja!“
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Wolfgang
Ruske©: Transzendenz
Im Universum geht Energie nicht verloren; sie wird jedoch transformiert in andere Seinszustände. Wenn alles aus Energie besteht, wie die Quantenphysiker sagen, so bleibt alles bestehen. Gegebenenfalls in Schwingungsebenen, die dem materialistisch ausgerichteten Menschen nicht mehr erfassbar sind. Der
Quantenphysiker Jean Émile Charon meint herausgefunden zu haben, dass
Elektronen die Träger des Bewusstseins sind. Die Erhöhung des
Bewusstseinszustands in der „inneren Raumzeit“ durch Spin-Austausch
zwischen den Elektronen interpretiert Charon als „Liebe“. Demnach
ist Liebe die optimale Methode, um einen höheren Organisationsgrad oder
Bewusstseinszustand zu erreichen. „Nur die Wechselwirkung der Liebe“, sagt der Quantenphysiker Michael König, „führt zu einer Bündelung der Lichtenergie und damit zu einer Erhöhung der inneren Photonenfrequenzen.“ |